B. Walter: Informationen, Wissen und Macht

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Titel
Informationen, Wissen und Macht. Akteure und Techniken städtischer Aussenpolitik: Bern, Strassburg und Basel im Kontext der Burgunderkriege (1468 –1477)


Autor(en)
Walter, Bastian
Reihe
Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte – Beihefte 218
Erschienen
Stuttgart 2012: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Urs Martin Zahnd

Bei Bastian Walters kenntnisreicher Untersuchung über Inhalte, Beschaffung, Übermittlung, Verfügung und politische Verwendung von aussenpolitischen Informationen in Bern, Strassburg und Basel in der Zeit der Burgunderkriege handelt es sich um die Druckfassung seiner Dissertation, die unter der Leitung von Martin Kintzinger entstandenen und im Wintersemester 2010 / 11 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münsterangenommenen worden ist. Der Autor bewegt sich mit seiner Untersuchung in einem thematischen Umfeld, dem zurzeit verschiedene Lehrstühle der Universität Münster ihr Interesse zuwenden (Sonderforschungsbereich «Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution»).

Die stringent aufgebaute, mit ihrem methodischen Ansatz überzeugende Publikation Bastian Walters gliedert sich in sieben Hauptkapitel: Die Einführung schildert in knappen Zügen die Vorgeschichte der Burgunderkriege (u. a. Vertrag von Saint-Omer 1469) und die daraus erwachsende Zusammenarbeit der oberrheinischen Städte mit den Eidgenossen (u.a. Bündnis Berns, Basels und Strassburgs 1474). Im zweiten Teil dieser Einführung werden methodische Fragen erörtert und die Leitbegriffe der Arbeit (Informationen, Wissen, Macht) in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit geklärt. In einem zweiten Teil stehen Gesellschaft, Wirtschaft, Institutionen und die wichtigsten mit Aussenpolitik beschäftigten Ratsherren der drei Städte im Zentrum; vorgestellt werden Niklaus von Diesbach, Niklaus von Scharnachthal, Petermann von Wabern und Adrian von Bubenberg aus Bern, Peter Schott, Klaus Baumgartner und Jakob von Amelung aus Strassburg sowie Peter Rot, Hans von Bärenfels oder Heinrich Zeigler aus Basel. Im dritten Teil geht es um die Stadtschreiber und die städtischen Kanzleien, insbesondere um Thüring Fricker (Bern) sowie Gerhard Mecking und Nikolaus Rüsch (Basel). Zwar sind die Strassburger Stadtschreiber der fraglichen Zeit wegen der ungünstigen Quellenlage nur schwer zu fassen, in allen drei Städten lassen sich aber je unterschiedliche Formen der Informationsverwaltung nachzeichnen. Im vierten Teil werden die informellen Kontakte dargestellt, d. h. der Informationsaustausch zwischen einzelnen Ratsherren und Kanzleiangehörigen derselben oder befreundeter Städte; in diesem Kontext wird auch die Berner Gesellschaft zum Narren und Distelzwang als Plattform für den Austausch politischer Informationen beleuchtet. Der fünfte Teil ist der Informationsübermittlung, insbesondere dem städtischen Botenwesen gewidmet. Mit dem Phänomender gezielten Nachrichtenbeschaffung durch gelegentliche oder ständige Kundschafter (heute würde man von «Spionen» sprechen) befasst sich der sechste Teil. Und in einem siebten Teil schliesslich wird einerseits am Beispiel der cedulae inclusae gezeigt, dass die Übermittlung von Nachrichten an Verbündete zugleich die Funktion einer vertrauensbildenden Massnahme haben konnte, andererseits die sprachliche Gestaltung weitergeleiteter Informationen auch der propagandistischen Bekräftigung des eigenen politischen tandpunktes diente. Die einzelnen Hauptkapitel werden je durch eine knappe Zusammenfassung ergänzt; das gilt auch für das Gesamtwerk. Umfangreiche Verzeichnisse der benützten Archivalien, der gedruckten Quellen und der verwendeten Forschungsliteratur erleichtern dem interessierten Leser eine allfällige Vertiefung in die Materie; ein Orts- und Personenregister erlaubt eine rasche Orientierung im vorliegenden Buch.

Die Arbeit von Bastian Walter überzeugt in vielerlei Hinsicht, nicht nur weil sie ein aktuelles Forschungsthema erstmals im Hinblick auf die engen Beziehungen zwischen den drei genannten Städten untersucht, sondern v. a auch deshalb, weil sie bisher zu wenig beachtete Aspekte aus dem Umkreis der Burgunderkriege hervorhebt und gründlich recherchiert darstellt. Das gilt etwa für die detailreiche Rekonstruktion der Briefwechsel zwischen Thüring Fricker und Albrecht von Bonstetten oder zwischen Johannes Meier und Martin von Ingelheim (S. 195), für die Angaben zu den Anstellungsbedingungen, Aufgaben und Routen der städtischen Boten (S. 215) oder für die Arbeitsweise der «Kundschafter» (Spione, S. 264); das gilt aber ganz grundsätzlich auch für die kenntnisreiche Untersuchung der für den Verlauf des Konfliktes mit Burgund sehr entscheidenden Beziehungen zwischen Bern, Basel und Strassburg, der gemeinsamen Interessen der Städte, der aussenpolitischen Akteure der Kommunen sowie der Inhalte, Formen und Mittel ihres Informationsaustausches.

Wenn nun auch einige kritische Bemerkungen zur Untersuchung von Bastian Walter folgen, so wird damit einerseits auf kleine Versehen und Fehlbeurteilungen hingewiesen, die insbesondere einer bernischen Leserschaft auffallen werden, zum Beispiel: Bern zog während der Burgunderkriege nicht mit Söldnern, sondern mit den Aufgeboten aus Stadt und Herrschaftsgebiet ins Feld (S. 97); Bern besass erst seit 1541 ein eigenes Kanzleigebäude, zuvor arbeitete der Stadtschreiber samt den übrigen Schreibern in seinem Haus, im Rathaus, in Privathäusern usw. – damit wird die Unterscheidung zwischen Orten informeller und offizieller Kontakte und Informationen hinfällig (S. 157, 185); ihre legendäre Beute raubten die Eidgenossen nach der Schlacht bei Grandson im burgundischen Lager, nicht in der Stadt Grandson nach deren Eroberung (S. 298); im Ausgang des Twingherrenstreites einen Sieg der Twingherren zu sehen, ist angesichts der «fünf Gebote», die an die Stadt übergingen (trotz Diebold Schilling), kaum vertretbar (S. 35, 157); bernische Ratsherren verfügten in hohem Masse über Fremdsprachenkenntnisse und benötigten während ihrer diplomatischen Missionen den mitreisenden Stadtschreiber kaum als Dolmetscher (S. 166, 183, 209).

Schwerer als diese einzelnen Versehen wiegt andererseits eine mehrfach zu belegende Tendenz des Autors, die Unterschiede zwischen den drei Städten einzuebnen, Hintergründe und Absichten der führenden Personen einander anzugleichen und die oftmals differenziert recherchierten Einzelergebnisse zugunsten eines griffigen Gesamtbildes einzuebnen. So müssten die Unterschiede zwischen den drei Kommunen viel deutlicher betont werden. Das gilt beispielsweise für die Bevölkerungszahlen der Städte und ihrer Herrschaftsgebiete und deren Bedeutung angesichts militärischer Konflikte; das gilt für die Unterschiede in ihrer Sozialstruktur und in ihrer wirtschaftlichen Ausrichtung (Rolle des Fernhandels!); das gilt für die territorialen Expansionsbestrebungen der Kommunen – Berns Interesse galt vornehmlich der Waadt sowie der Sicherung des Aargaus und nur sehr mittelbar dem Oberrhein, ganz im Gegensatz zu Basel und Strassburg; und das gilt ganz besonders für den Charakter der politischen Führungsschicht. Die Vermögen der besonders einflussreichen Ratsherren aus den drei Städten unterschieden sich deutlich, und zwar sowohl in ihrer Höhe als auch in ihrer Zusammensetzung. Die These «Städtische Aussenpolitik wird so zu einer Familien- und Handelspolitik einiger weniger ‹Politunternehmer›» (S. 147, vgl. auch 185, 190, 211, 305) lässt sich etwa angesichts eines Vergleichs der Vermögensgrundlagen von Niklaus von Diesbach, Niklaus von Scharnachthal und Petermann von Wabern (v. a. Herrschaftsbesitz, Pensionen) mit den Ressourcen eines Heinrich Zeigler, Hans Irmi oder Peter Schott (Erträge aus unterschiedlichen Handelsformen) kaum halten; die drei Berner waren nie bzw. längst nicht mehr in den Fernhandel eingebunden.

Diese Bemerkungen sollen keineswegs von der Lektüre der Arbeit Bastian Walters abhalten, ganz im Gegenteil. Die Untersuchung rückt ein bisher kaum beachtetes Thema – die Zusammenarbeit der Städte Bern, Basel und Strassburg während der Burgunderkriege – unter sehr interessanten Fragestellungen vor Augen, rollt die einzelnen Probleme rund um die Beschaffung, Weiterleitung und Verwertung von Nachrichten detailliert auf und entwirft so ein ansprechendes, bisher kaum wahrgenommenes Bild städtischer Informationspraxis und Informationspolitik. Dass Einzelheiten und gewisse Deutungsansätze auch zu kritischer Überprüfung und Reflexion des Textes animieren, ist durchaus auch als Vorzug zu werten.

Zitierweise:
Urs Martin Zahnd: Rezension zu: Walter, Bastian: Informationen, Wissen und Macht. Akteure und Techniken städtischer Aussenpolitik: Bern, Strassburg und Basel im Kontext der Burgunderkriege (1468 –1477). Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte – Beihefte Band 218. Stuttgart: Franz Steiner 2012. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 75 Nr. 3, 2013, S. 68-71.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 75 Nr. 3, 2013, S. 68-71.

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